geTon bedauert: Umweltverbände geraten in Regelungswut

Stellungnahme zu „Wege aus der Plastikkrise: Forderungen der deutschen Zivilgesellschaft“, Bundesverband Meeresmüll e.V., Hamburg, Februar 2020

Der Kampf für den nachhaltigen Umgang mit Kunststoff ist eine Herausforderung, die die Bündelung aller Kräfte erfordert. Der Forderungskatalog der Umweltverbände enthält viele zielführende Gedanken, doch er zeigt auch, welchem Imageverlust Kunststoff als Werkstoff inzwischen ausgesetzt ist. Entstanden ist so ein prall gefüllter Wunschzettel für Verbote und Vorgaben, Vorschriften, Pflichten und Strafen.

Dabei gibt es einen Weg aus der Plastikkrise: die Kreislaufwirtschaft. Voraussetzung ist, dass alle das bestehende Sammel- und Recyclingsystem nutzen und besser machen.

Da ist eine Menge zu tun. Doch die 15 Forderungen der Umweltverbände verweisen nicht ein einziges Mal auf den Nutzen von Verpackungen, den Sinn der Mülltrennung, das werkstoffliche Recycling und den Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Aber genau da liegt der Ausweg. In dem gesamten Text über 50 Seiten kommt der Begriff Gelbe Tonne/Gelber Sack nicht ein einziges Mal vor.

Vieles aus dem Papier – auch die beschworene Mehrwegquote von 70%, so wünschenswert sie teilweise auch ist – richtet sich gegen die Lebensgewohnheiten der Menschen. Aber wer die Menschen nicht mitnimmt, wird das Klima nicht retten.

Deshalb fordern wir:

  • Einen neuen, gemeinsamen Appell an die Verbraucherinnen und Verbraucher, die bestehenden Sammel- und Recyclingsysteme zu nutzen. Wertstoffsammlung und Mülltrennung sind für jeden in Deutschland seit 2019 gesetzlich vorgeschrieben – weil es sinnvoll ist!
  • Nicht notwendige und aus Mischkomponenten bestehende Verpackungen, Einwegplastik und der Eintrag von Mikroplastik werden überprüft und reduziert – die EU hat Vorgaben für 2030 gemacht. Dringen wir gemeinsam bei Politik und Verwaltung auf mehr Mut bei der Umsetzung!
  • Jeder Ersatz für Kunststoffe muss besser sein und eine Ökobilanz bestehen. Der Aufruf zu Plastikverzicht und die Beschwörung der guten alten Mehrwegzeiten sind unbenommen – aber lässt die Verbraucher mit dem Sortierthema allein.
  • Für das Schließen von Stoffkreisläufen setzen wir zeitnah auf die Einführung von Mindestquoten für den Rezyklateinsatz sowie Standards und Qualitätskriterien, um den Markt endlich anzuschieben. Das fordern auch die Umweltverbände und das ist dringend notwendig. Wir sollten jetzt gemeinsam Pilotprojekte und „Front Runner“ identifizieren, die beispielsweise im Bereich der öffentlichen Beschaffung einen Quantensprung schaffen könnten.
  • Richtig ist auch: wir brauchen „einfache, schnell erfassbare Labels“! Das ist ein dickes Brett und rechtfertigt jedes Engagement. Die zügige, verbrauchernahe und fundierte Kennzeichnung von Verpackungen mit einem Rezyklatanteil ist so essentiell wie eine klare Orientierung, in welche Tonne die leere Verpackung gehört. In ganz Europa.
  • Ausweitung der Produktverantwortung: Hier hat Deutschland 30 Jahre Vorsprung. Schon heute können über die Wertstofftonne weitere Produktgruppen in die Sammlung und Verwertung von Kunststoffabfällen mit einbezogen werden.
  • Unser Know-how wird gebraucht: Moderne Technik, Konzepte und Dienstleistungen. Deswegen hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) 2019 die Abfallallianz PREVENT gegründet. Rund um den Globus muss die Maxime lauten: Weg vom linearen Wirtschaften, hin zur Kreislaufwirtschaft: global, national, lokal. Abfall ist mehr als Müll – Abfall ist Rohstoff! In der übergreifenden Allianz engagieren sich zum Beispiel auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der World Wide Fund for Nature (WWF) und Experten aus der Wissenschaft, zum Beispiel das Wuppertal-Institut.

Rund um den Globus muss die Maxime lauten: Abfall wo immer möglich vermeiden, wo immer möglich wiederverwerten – und was übrig bleibt, entsorgen, aber ohne Schaden für Mensch und Umwelt. Weg vom linearen Wirtschaften, hin zur Kreislaufwirtschaft: global, national, lokal. Abfall ist mehr als Müll – Abfall ist Rohstoff! Wir wollen hier gemeinsam handeln, damit das tatsächlich wahr wird. Hier im Raum sitzt die geballte Kompetenz aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Verbänden – und nicht zuletzt aus der deutschen Entsorgungswirtschaft. Deren internationaler Marktanteil liegt bei 25 Prozent.

Der vorliegende Forderungskatalog verwendet viel Sorgfalt auf die Situationsbeschreibung mit Begriffsdefinitionen, Analyse der Gesetze und ein Quellenverzeichnis: aber der Fokus auf unser bestehendes System fehlt. Schade. GeTon begrüßt jeden, der sich für die einfache, naheliegende und wirksame Lösung einsetzt: Wertstoffsammlung und Recycling.

Foto: Meite Thiede, Hamburg.

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